„Paragraphen, Papayas und Pappnasen.“

Ein Blogbeitrag von Ninia La Grande – und wir werden erwähnt.

Über 100.000 Schwangerschaftsabbrüche werden jährlich in Deutschland durchgeführt. Diese sind nur straffrei, wenn sie bis zur 12. Woche passieren und, wenn die Gesundheit der schwangeren Person in Gefahr ist oder die Schwangerschaft durch eine kriminelle Handlung entstand. Viele Abtreibungen sind also im Grunde immer noch illegal. Grund genug für Mediziner*innen in der Ausbildung, sich mit dem Thema lieber nicht zu beschäftigen. Wie führt man einen Schwangerschaftsabbruch durch? Welche Methoden gibt es? Ein Thema, das nicht regulär im Studium vorkommt und dass die Mediziner*innen nur lernen, wenn sie sich selbst fortbilden. Und davon gibt es immer weniger – auch, weil sie nicht dem Strafbestand ausliefern wollen. In ganz Niederbayern gibt es einen Gynäkologen, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Er ist siebzig Jahre alt und geht nicht in Rente, weil es sonst niemanden mehr gäbe. Und weil das Thema im Studium so ein rotes Tuch ist, gibt es Workshops für Mediziner*innen mit erfahrenen Gynäkolog*innen, bei denen sie die Absaugung mit einer Papaya üben.

Mit einer Papaya. So sieht sie aus – die Ausbildung für die Umsorgung von schwangeren Menschen in verzweifelten Situationen. Also ja, offensichtlich gibt es sogar viele, die bei den Rechten von Tieren kompromissloser sind als bei denen für Menschen mit Uterus – auch in der Politik.

Hier gibt’s was auf die Ohren

Das Kulturradio vom RBB hat einen Beitrag über unseren Papaya-Workshop  gesendet. Vielen Dank an Vanessa Loewel für ihr Interesse an unserer Arbeit. Den Beitrag könnt ihr euch hier anhören:

Quelle: http://mediathek.rbb-online.de/radio/Zeitpunkte/Medizinstudium-Abtreibungen-werden-kaum/kulturradio/Audio?bcastId=20277254&documentId=52382498

1:0 für Hänel

Von Kristina Hänel, Gießen

Prof. Dr. Thomas Fischer provoziert gerne. Es würde sich nicht lohnen, auf einen reißerischen Artikel zu antworten, wäre Fischer nicht zugleich der Autor des zurzeit am meisten angewandten Strafrechtskommentars der Bundesrepublik. Lange Jahre als Tröndle/Fischer herausgegeben, schied der 1919 geborene Tröndle, ein fanatischer „Lebensschützer“ aus der Autorenschaft aus, so dass Fischer jetzt der Alleinherausgeber dieses auf die deutsche Rechtsprechung einflussreichen Werkes ist. Mit Erstaunen nehme ich zur Kenntnis, dass Fischer Jahrgang 1953 ist, damit trennen uns numerisch grade mal drei Jahre. Inhaltlich scheinen es mir mehrere Generationen zu sein. Und dazu kommt natürlich noch der Geschlechtsunterschied.

Herr Fischer beginnt damit, dass ich mich geopfert hätte und demonstrativ habe verurteilen lassen. In vielen Veranstaltungen muss ich denjenigen, die mich inzwischen als Heldin betrachten, entgegenhalten, dass ich mit der Anklage und folgenden Verurteilung nicht gerechnet hatte. Ich habe die Situation nicht provoziert, ich hatte ja schließlich meine Homepage vor 16 Jahren vom Justitiar der Ärztekammer Hessen prüfen lassen. Konnte also davon ausgehen, dass ich rechtmäßig handele, indem ich meine Informationen für Frauen ins Netz stelle. Ich habe sachlich und seriös informiert, wie mir sogar das Amtsgericht Gießen in der Urteilsbegründung attestiert. Zu fragen ist, was bewegt einen Herrn Fischer oder auch einen Robin Alexander in der Zeitung Die Welt, mir zu unterstellen, ich würde bewusst und liebend gerne in eine Opferrolle springen, um damit Macht auszuüben? Welches Frauenbild steckt dahinter? Fest steht, dass ich selbst nie eine Kampagne geführt habe, ich wurde durch die Kampagne der Abtreibungsgegner angegriffen. Was ich allerdings getan habe, ich habe mich dem Angriff gestellt und habe mich entschieden, mich nicht einschüchtern zu lassen, sondern den Skandal öffentlich zu machen. Ich habe begonnen, zu sprechen. Wenn Worte für manche Menschen bedrohlich werden, weil Schweigen verordnet ist, können natürlich auch Worte zur Waffe werden. Darum der Aufschrei derjenigen, denen der Status quo nützt. Die ihre Macht mit allen Mitteln, und seien sie noch so diffamierend, erhalten wollen. Inzwischen ist eine Bewegung entstanden, die auch einzelne ältere Herren nicht mehr werden aufhalten können.

Den eigentlichen Skandal lässt Herr Fischer unerwähnt. Der 219a führt seit Jahren zur Informationshoheit der sogenannten Abtreibungsgegner im Internet. Die Website mit dem unsäglichen Titel Babykaust, die alle Adressen von Ärztinnen und Ärzten, die Abbrüche durchführen, ins Netz stellt, wird mit keinem Wort erwähnt. Der die Leiden der Opfer des Holocaust verhöhnende Auschwitzvergleich interessiert Herrn Fischer nicht. Ebenso wenig glaubt er anscheinend, dass Frauen leiden. Die Tatsache, dass „keine Frau sich die Entscheidung leicht mache“, nennt er eine Behauptung und diese ist seiner Ansicht nach leider falsch. Heißt das, er findet, Frauen machen sich die Entscheidung leicht? Woher will er das wissen? Ebenso ist es seiner Meinung nach leicht, an Adressen zu kommen. Man brauche bloß den Hausarzt fragen.

Für Herrn Fischer ist es keine Tatsache, sondern angeblich Stimmungsmache, dass viele Ärzte keine Adressen weitergeben, ebenso wie Beratungsstellen dies teilweise auch nicht tun. Dass Frauen wieder vermehrt ins Ausland fahren, weil immer weniger Ärztinnen und Ärzte Abbrüche in ihrem Leistungsspektrum anbieten. Dass es für mich wie Hohn klingt, wenn behauptet wird, ich würde für Abbrüche in meiner Praxis werben, nur weil ich möchte, dass Frauen sich vor dem Eingriff über die Risiken, mögliche Komplikationen und Kontraindikationen informieren. Ich brauche keine Werbung, da ohnehin die meisten Frauen aus dem Umland zu mir kommen, weil sie keine andere Anlaufstelle mehr haben. Frau weiß sehr genau, was sie tut, wenn sie zum Abbruch zu mir kommt. Frauen wissen, was gut für sie und ihre Kinder ist. Sie entscheiden sich für den richtigen Weg. Deutschland steht einzig in Europa mit dem sogenannten Werbeparagraphen, der Information verbietet. In Frankreich beispielsweise wurde die Bedenkzeit abgeschafft, es gibt öffentliche Informationen zum Abbruch, der eine Kassenleistung ist.

Nicht immer finde ich die übliche Trockenheit und Sachlichkeit der Justiz erstrebenswert. Im Falle Fischer hätte ich mir genau das gewünscht.

121. Deutscher Ärztetag 2018

Seit Dienstag, dem 08.05.2018 bis Freitag, 11.05.2018 findet der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt statt.

„Der Deutsche Ärztetag ist die Hauptversammlung der Bundesärztekammer, das »Parlament der Ärzteschaft«, und findet einmal jährlich an wechselnden Orten statt. Die 17 deutschen Ärztekammern entsenden insgesamt 250 Abgeordnete zum Deutschen Ärztetag.
Zu den Aufgaben des Deutschen Ärztetages gehört es, länderübergreifende Regelungen zum Berufsrecht (z. B. die Muster-Berufsordnung und die Muster-Weiterbildungsordnung) zu erarbeiten und zu verabschieden sowie die Positionen der Ärzteschaft zu aktuellen gesundheits- und sozialpolitischen Diskussionen der Gesellschaft zu artikulieren und sie der Öffentlichkeit zu vermitteln.“
So geht es in diesem Jahr unter Anderem um Themen wie Telemedizin und auch den Paragraphen 219a.

Wir sind am Dienstag zur Eröffnungsveranstaltung nach Erfurt gefahren, um an der Protestkundgebung „Reproduktive Rechte sind Menschenrechte! Weg mit §218 und §219 – her mit der Selbstbestimmung!“ des Frauenkampftages Thüringen teilzunehmen.
Hierbei konnte auch Amelie unseren offenen Brief an Jens Spahn vortragen.

Zum Zuhören nach draußen gekommen ist Jens Spahn leider nicht. Aber wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann kommt der Prophet eben zum Berg. Oder in diesem Fall die Prophetinnen.
Nachdem wir an der Protestkundgebung teilgenommen hatten, sind wir schnurstracks zum Eingang der Kongresshalle gelaufen. Was viele nämlich nicht wissen: Alle Medizinstudierenden haben Zugang zu der Veranstaltung. Wir haben uns also die verschiedenen Reden zur Eröffnung des Ärztetages angehört.
Dr. Ellen Lundershausen hielt die Begrüßungsrede und stellte fest „So ein bisschen Rebellion könnte auch uns Ärztinnen und Ärzten gut tun.“.

Die Rede von Prof. Montgomery war in Bezug auf die 219a-Debatte leider sehr enttäuschend. Anstatt seinen Kolleg*innen den Rücken zu stärken und auch Herrn Spahn gegenüber für eine Streichung einzutreten, verkündete er, dass er für ein frei zugängliches „Informationsportal“ aus „Basis geltender Gesetze“ sei. An der Kriminalisierung von Ärzt*innen, die rechtskonform Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ändert das rein gar nichts.

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Zum Schluss trat Herr Spahn auf die Bühne und hielt seine Rede, die immer wieder von nicht enden wollendem Gemurmel unterbrochen wurde. Schlussendlich beendete er sie auch nach 4 von 10 Punkten, die er eigentlich anbringen wollte. Der Rückhalt seitens der Delegierten war also hörbar schwach.

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Kaum war der Redebeitrag vorbei eilten Paula und Amelie auf unseren Herrn Gesundheitsminister zu, um ihm unseren offenen Brief zu überreichen. Sichtlich überrascht nahm er ihn entgegen. Ein verdutztes „Dankeschön“ haben wir sogar auch erhalten.
Zwischenzeitlich haben wir ihm den Brief auch nochmal in Reinform per Post zukommen lassen und hoffen, dass er seiner angekündigten Dialogbereitschaft nachkommt.

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Sowohl während der Protestkundgebung vor dem Kongress als auch nach der Veranstaltung haben wir viel Zuspruch von den Delegierten bekommen. Nicht nur in Form von „Thumbs up“ sondern auch durch nette Zurufe oder sogar ausführliche Gespräche. Nicht zuletzt der Appell einer Anästhesistin aus Berlin an uns „die Alten unter Druck zu setzen“ und uns einzumischen, gab uns das Gefühl, dass sich etwas bewegt in Deutschland.

Nach diesem erfolgreichen Vormittag konnten wir einen wunderschön sonnigen Nachmittag in Erfurt genießen und viele weitere Prominente treffen, die unsere Sache unterstützen und dazu fleißig posiert haben.

Quellen:
http://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/
http://frauenkampftagthueringen.blogsport.de/2018/04/26/reproduktive-rechte-sind-menschenrechte-weg-mit-218-und-219-her-mit-der-selbstbestimmung/

Sehr geehrter Herr Spahn,

da Sie ja, wie man Ihrem Lebenslauf entnehmen kann [1], studierter Bankkaufmann und Politikwissenschaftler sind, können wir uns vorstellen, dass Sie als unser derzeitiger Gesundheitsminister wenig dazu wissen, wie ein Medizinstudium so abläuft bzw. wie der Alltag in der medizinischen Praxis so aussieht. Deswegen dachten wir von den Medical Students for Choice, dass wir Ihnen ein bisschen davon erzählen.

Das Medizinstudium gilt gemeinhin als sehr naturwissenschaftlich, systematisch aufgebaut, logikorientiert und faktenbasiert. Und wir denken, die meisten unserer Kommiliton*innen werden uns zustimmen, wenn wir sagen „Das ist auch meistens so.”
Schwierig wird es erst, wenn wir spätestens nach dem Studium einmal auf Patient*innen losgelassen werden. Dann müssen wir den Spagat zwischen Theorie und Praxis hinbekommen. Da sieht der Krankheitsverlauf dann auf einmal nicht aus wie im Lehrbuch; ein Patient dürfte statistisch gesehen eine Krankheit gar nicht haben; man ist sich sicher, dass die Patientin krank ist, aber die Laborwerte passen nicht dazu. Warum? Weil Menschen nun mal Menschen sind und trotzdem nicht alle gleich. Aber worauf wir uns verlassen können, sind die Fakten.

Lieber Herr Spahn, wie man Ihren Aussagen der letzten Wochen entnehmen kann, nehmen Sie es mit den Fakten nicht so genau. Eine problematische Angewohnheit angesichts Ihres derzeitigen Amtes. Deswegen wollten wir Ihnen anhand folgender Beispiele nochmal veranschaulichen, wie das mit dem faktenbasierten Argumentieren so geht.

Schauen wir uns mal unseren künftigen Arbeitsalltag aus statistischer Sicht an.
Ein Fakt ist, dass heutzutage die Mehrheit der Medizinstudierenden Frauen sind [2]. Viele unserer künftigen Kolleg*innen werden also Frauen sein.
Frauen machen teilweise über 80% der Arbeitenden in den sozialen Bereichen aus: Erziehung, Kinder-, Kranken- und Altenpflege usw. [3]. Viele unserer Kolleg*innen aus der Pflege werden also auch Frauen sein.

Wie sieht es mit unseren künftigen Rechten und Pflichten aus?
Ein weiterer Fakt ist zum Beispiel, dass wir als Ärzt*innen später einmal dazu verpflichtet sein werden, unsere Patient*innen stets gut und angemessen aufzuklären. Ein anderer Fakt ist, dass Patient*innen in Deutschland ein Recht auf sachliche Informationen haben. Und dass sie ein Recht auf freie Ärzt*innenwahl haben [4, 5, 6].
Wir schreiben den 8. Mai 2018: Fakt ist, § 219a StGB verbietet Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, diese Leistung auf ihrer Homepage zu benennen [7].
Der Fall Kristina Hänel macht uns klar: Unsere Patient*innen einmal vernünftig aufklären zu können, ist nicht nur eine Pflicht, der wir einmal nachkommen müssen. Es ist dann auch unser gutes Recht.
Wir schreiben den 8. Mai 2018: Fakt ist, § 218 StGB verbietet Schwangerschaftsabbrüche [8]. Dieser Paragraph stellt eine absolute Ausnahme in der deutschen Gesetzgebung dar: Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine Straftat, die unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Legal, im eigentlichen Sinne, ist ein Abbruch nur nach medizinischer oder kriminologischer Indikation. Auch wenn er nicht strafrechtlich verfolgt wird, bleibt ein Abbruch nach Beratungsregelung „rechtswidrig und verwerflich”. So zu entnehmen aus einer Stellungnahme des Bundestags [9].

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden in Deutschland 46,9 % der Frauen, die jemals schwanger waren, mindestens einmal im Leben unbeabsichtigt schwanger. 26,4 % der Frauen, die jemals schwanger waren, werden mindestens einmal im Leben ungewollt schwanger. Rund 40% der ungewollt Schwangeren entscheiden sich für einen Abbruch [10]. Glaubt man den Zahlen des statistischen Bundesamtes, werden in Deutschland jährlich ca. 100.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Über 96% davon nach Beratungsregelung [11].
Es folgt also: Dank den §§ 218 und 219a werden in Deutschland in zehn Jahren mindestens eine Million Mal ungewollt Schwangere kriminalisiert und gesellschaftlich stigmatisiert. Sie werden  zu einer Pflichtberatung gezwungen, sie werden gegängelt, wie und woher sie ihre Informationen beziehen können [7, 8]. Letzteres aufgrund eines Paragraphen aus dem Jahre 1933.

Lieber Herr Spahn, wenn man Ihre Aussagen so liest, bekommt man auch den Eindruck, dass Sie so Ihre Schwierigkeiten mit Kausalzusammenhängen haben: „Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos“ [12].

Lieber Herr Spahn, einige von uns sind Vegetarier*innen, manche leben sogar vegan. Wir sind auch für die Streichung von § 219a. Wir wollen deswegen aber nicht für Schwangerschaftsabbrüche „werben”. Wir wollen, dass hier und heute, im Jahr 2018, Betroffene wie Interessierte die Informationen bekommen, die Ihnen zustehen – und zwar von den Personen, die Ahnung von dem Thema haben. Aber zwischen unseren Essgewohnheiten und dieser Forderung besteht kein Zusammenhang, also auch kein Widerspruch.
Zur Erinnerung: Kausalität ist die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung[13]. Versuchen wir das einmal anhand eines Beispiels zu verdeutlichen: Länder, die eine restriktive Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen haben, weisen deswegen keine geringeren Abbruchzahlen auf. Die Abbrüche werden stattdessen illegalerweise und deswegen häufig unter prekären Bedingungen durchgeführt. Die Betroffenen tragen oft nicht nur gesundheitliche und/ oder psychische Schäden von diesen Eingriffen davon, sondern manche sterben sogar daran; der Weltgesundheitsorganisation zufolge jährlich zu Zehntausenden [14]. Dies ist ein Kausalzusammenhang: Die Ursache ist ein unprofessionell durchgeführter chirurgischer Eingriff – die möglichen Folgen sind Infektionen, Blutungen, Unfruchtbarkeit und Tod.
Noch ein Beispiel: In Ländern, in denen liberale Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch gelten, in denen der Zugang zu medizinischer Versorgung auch im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs staatlich geregelt ist und vielleicht sogar noch der Zugang zu Verhütungsmitteln, sind die Zahlen gesundheitsgefährdender Abbrüche gering und die Komplikationsraten niedrig. Ursache: Liberale Gesetzgebung, gute Versorgung – Wirkung: niedrige Abbruchzahlen, gutes Outcome.
Das klingt nicht nur logisch, das ist auch statistisch nachweisbar [15, 16, 17, 18, 19, 20].

Abtreibungsgegner*innen wollen Abbrüche nach Möglichkeit in jeder Form verbieten.
Ungewollt Schwangere werden in die Illegalität gezwungen oder dazu ins Ausland zu gehen, sofern sie es sich leisten können. Wenn nicht, dann haben sie die Möglichkeit mit ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit zu zahlen, an einem versuchten Abbruch zu sterben oder ein Kind auszutragen, das sie eigentlich nicht wollen. Von den möglichen Komplikationen einer Schwangerschaft und einer Geburt fangen wir an dieser Stelle gleich gar nicht erst an [siehe hierfür auch 21]. Das ist die menschen- und v.a. frauenverachtende Realität, die sich Abtreibungsgegner*innen wünschen. Das sind die Menschen, mit denen Sie sich gemein machen, Herr Spahn.

Häufig wird Betroffenen vorgeworfen, Sie hätten halt besser aufpassen müssen, um nicht schwanger zu werden. Als die sichersten Methoden zur Verhütung einer Schwangerschaft gelten die Pille und die Kupferspirale. Bei beiden muss man mit Nebenwirkungen rechnen. Aber Nebenwirkungen mal hinten angestellt: Weder die eine noch die andere Verhütungsmethode ist zu hundert Prozent sicher. Das behaupten wir nicht einfach so, das ist wissenschaftlich nachweisbar. Der sogenannte Pearl Index beschreibt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass bei 100 Personen, die eine Verhütungsmethode ein Jahr lang anwenden, eine Schwangerschaft auftritt [21].
Lassen Sie uns das mal anhand eines Beispiels veranschaulichen: Nehmen wir einmal an, wir beobachten 100 hetero- oder bisexuelle Mädchen, die ab ihrem 15. Geburtstag sexuell aktiv und fruchtbar sind. Legen wir einfach mal fest, diese fruchtbare Zeit umfasst 35 Jahre und der Pearl Index ihrer Verhütungsmethoden ist mit 0.1 sehr gut.
Setzt man diese Zahlen in die recht einfache Gleichung für den Pearl Index ein und löst nach der Anzahl der Schwangerschaften auf, kommt man auf 3,5 ungewollte Schwangerschaften. Bei 1000 Frauen sind wir schon bei 35 ungewollten Schwangerschaften, bei 10 000 bei 350 usw. – statistisch gesehen, bei optimaler Wirkung des Präparats und bei optimaler Anwendung.
Dann hat man noch nicht beachtet, dass Individuen auf verschiedene Präparate verschieden reagieren und dass Fehler zwar bedauerlich, aber nun mal menschlich sind. Stichwort „Theorie und Praxis”.
Lieber Herr Spahn, was das auf die fruchtbare Bevölkerung Deutschlands hochgerechnet bedeutet, können Sie sich selbst ausrechnen.

Zurück zu den Fakten. Wie bereits erläutert, werden wir in unserem Arbeitsalltag einmal mit vielen Frauen zusammenarbeiten, sowohl als Kolleg*innen als auch als Ärzt*innen mit unseren Patient*innen.

Wie sieht die Lebens- und Arbeitsrealität für Frauen im Deutschland des 21. Jahrhunderts aus?
Der größte Teil der sogenannten unbezahlten Arbeit in Form von Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit wird laut Böckler Stiftung von Frauen geleistet. „Solange das so bleibt, ist eine Gleichstellung in Beruf und Gesellschaft nicht erreichbar” [22].
Frauen sind besonders davon bedroht in sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse und damit in prekäre Arbeits- und Lebensumstände abzurutschen [23].
Die größten Risikofaktoren in Deutschland im Alter unter die Armutsgrenze zu fallen, sind eine Frau und alleinerziehend zu sein [24, 25].

Lassen Sie diese Fakten einfach einmal auf sich wirken, Herr Spahn, denn Sie als Gesundheitsminister sollten sich dafür interessieren. Diese Fakten prägen den Alltag unserer Kolleg*innen aus der Ärzteschaft und Pflege und den Alltag vieler unserer künftigen Patient*innen. All diese Fakten werden wesentlicher Teil unseres Berufsalltags sein. Und Sie Herr Spahn, machen es uns zum Vorwurf, wenn wir uns darüber beschweren. Wir schlagen Ihnen vor, dass sie sich als unser Gesundheitsminister, statt sich über Maßstäbe zu wundern, mit Fakten beschäftigen.

Wir würden es Ihnen jedenfalls danken.

Ihre Medical Students for Choice

Literatur:

[1] http://www.jens-spahn.de/assets/docs/2017_01_27_Lebenslauf_Jens_Spahn.pdf

[2] https://www.aerzteblatt.de/archiv/188244/Aufklaerungspflicht-Teil-1-Rechtssicherheit-fuer-Aerzte-und-Patienten

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167555/umfrage/frauenanteil-in-verschiedenen-berufsgruppen-in-deutschland/

[4] https://www.aerzteblatt.de/archiv/188244/Aufklaerungspflicht-Teil-1-Rechtssicherheit-fuer-Aerzte-und-Patienten

[5] https://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/40merkblaetter/10merkblaetter/aufklaerungspflicht.pdf

[6] http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/76.html

[7] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__219a.html

[8] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__218.html

[9] https://www.bundestag.de/blob/541290/4654eee8823c4fd7efb68cc1d85b1954/wd-7-161-17-pdf-data.pdf

[10] https://www.forschung.sexualaufklaerung.de/fileadmin/fileadmin-forschung/pdf/Frauenleben3_Langfassung_Onlineversion.compressed.pdf

[11] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/Schwangerschaftsabbrueche.html

[12] https://www.zeit.de/politik/2018-03/spahn-abtreibung-gesundheit

[13] https://home.uni-leipzig.de/schreibportal/korrelation-als-kausalitaet/

[14] http://www.who.int/reproductivehealth/topics/unsafe_abortion/hrpwork/en/

[15] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140673611617868

[16] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140673609617992

[17] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140673609615452

[18] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140673612620091

[19] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140673607615566

[20] https://ajph.aphapublications.org/doi/abs/10.2105/AJPH.2012.301197

[21] https://www.springer.com/de/book/9783540328674

[22] https://www.boeckler.de/108549_108559.htm

[23] https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/11/PD14_418_132.html

[24] https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/BevoelkerungSoziales/SozialesLebensbedingungen/Altersarmut.html

[25] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung/LebensbedingungenArmutsgefaehrdung.html

Wie hätten Sie’s denn gern? Sexistisch? Frauenfeindlich? Homophob? Oder gleich alles zusammen?

„Es ist diese Geschichte, sowohl der Entstehung, als auch der Kommentierung, die nun weitergeführt wird, wenn Befürworter*innen des Paragrafen 219 a aus den Reihen von CDU/CSU und AfD Frauen unterstellen, sie würden ihre Entscheidungen in der existenziellen Frage des Schwangerschaftsabbruchs von einem Spiegelstrich auf Praxis-Homepages abhängig machen. Und auf eben dieser Basis urteilt dann auch die Justiz.“ ein taz-Artikel von Gaby Mayr

Das Urteil aus Bayern von 2006, bei dem ein Arzt verwarnt wurde, gilt als wegweisend. Beide Gerichte haben die Formulierung ganz offensichtlich aus dem Strafrechtskommentar „Tröndle/Fischer“ übernommen.

[…]

Herbert Tröndle, Jahrgang 1919, war ausweislich seiner Todesanzeige Träger des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse, des Infanteriesturmabzeichens und des Deutschen Kreuzes in Gold für seinen Einsatz im Zweiten Weltkrieg. Obwohl Tröndle sein Erstes Staatsexamen nur mit „vollbefriedigend“ bestand und damit heute keine Stelle bei Gericht bekommen würde, und seine mündliche Doktorprüfung erst im zweiten Anlauf mit „ausreichend“ schaffte, stieg er zum führenden westdeutschen Strafrechtskommentator auf.

[…]

Mit Herbert Tröndle übernahm ab 1978 ein fanatischer „Lebensschützer“ das einflussreiche Geschäft des Kommentierens. Nun konnte der erzkonservative Katholik seine sittlichen Vorstellungen flächendeckend in der Justiz verbreiten. Bei einer Bundestagsanhörung wandte sich Tröndle 1992 gegen die Abschaffung von Paragraf 175 Strafgesetzbuch, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Eine Abschaffung würde es der „etablierten Schwulenszene“ erlauben, „die in der Pubertät und Adoleszenz befindlichen Jugendlichen für ihre Zwecke zu rekrutieren“. Kein Gesetzgeber sei „legitimiert, abweichendes Sexualverhalten dem normalen Sexualverhalten gleichzustellen“, argumentierte Tröndle.

Vor allem aber kämpfte er gegen eine Liberalisierung der Rechtslage zum Schwangerschaftsabbruch. Tröndle schrieb für das „Lebensschutzhandbuch“ des katholischen Bonifatiusverlags und engagierte sich an führender Stelle in der Juristen-Vereinigung Lebensrecht, einer Lobbyorganisation selbsternannter Lebensschützer.

[…]

Außerdem war für Tröndle klar, „daß immer schon ein signifikant hoher Teil der Schwangeren vom Partner und einem hilfsunwilligen Umfeld zur Abtreibung gedrängt oder sogar mit existentiellen Drohungen genötigt“ werde. Frauen, die eigenständige Entscheidungen treffen, existierten in Tröndles Weltbild offenbar nicht. Herbert Tröndle starb 2017 im Alter von 98 Jahren, der Geist seiner Kommentierung zum Schwangerschaftsabbruch lebt weiter.

[…]

Im Jahr 1999 stieg Thomas Fischer in den Kommentatorenjob mit ein, neben seiner Tätigkeit am Bundesgerichtshof, aus der er sich 2017 verabschiedete. Bekannt wurde der Jurist als Kolumnist bei der Zeit und als Teilnehmer bei Fernseh-Talkshows. Der Multitasker formuliert gerne zugespitzt, Frauen bedenkt er obendrein mit sexistischen Sprüchen.

Jüngst beschrieb Fischer, wie er durch Fernsehberichte auf die #MeToo-Debatte aufmerksam wurde, „allesamt von sehr betroffen blickenden Moderatorinnen mit Push-up-Brüsten und auf mindestens 80-mm-Heels ‚anmoderiert‘.“

Die Zeit hat sich mittlerweile von ihm getrennt, allerdings erst, nachdem Fischer eine Journalistin des eigenen Hauses angegangen war, die zum Fall Dieter Wedel berichtet hatte. An der Kommentierung zum Paragrafen 219 a hat der misogyne Exrichter auch in der 65. Auflage von 2018 nichts verändert, außer der Rechtschreibung.

Und dann ist da noch der Paragraf 219 a selbst. Weil die Nazis die Geburten deutscher, „arischer“ Kinder forcieren wollten, kam das „Werbeverbot“ für den Schwangerschaftsabbruch im Mai 1933 ins Strafgesetzbuch, nur wenige Monate nach ihrem Machtantritt. „Insofern unterlag der Gesetzgeber dem Standpunkt, dass bei Schwangeren oftmals erst […] der Entschluss zur Abtreibung geweckt oder doch zumindest erheblich gefördert würde“, schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Papier mit dem Titel „Entstehungsgeschichte des § 219 a“ vom Dezember 2017.

Tante Barbara steht Dir zur Seite

Heute möchten wir euch eine der Organisationen vorstellen, die wir unterstützen: Ciocia Basia. Mädchenmannschaft hat einen schönen Artikel über sie und die derzeitige Lage in Polen geschrieben.

In Polen sind Abtreibungen nur möglich, wenn die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Person gefährdet sind, wenn die Schwangerschaft Folge einer Straftat ist oder wenn der Fötus schwer beschädigt ist. Damit hat Polen hat eine der striktesten Abtreibungsgesetzgebungen Europas. Nur noch Malta, San Marino, Liechtenstein, Andorra, Monaco, Irland und Nordirland haben ähnlich strenge oder noch strengere Gesetze.

[…]

Seit September 2016 droht stattdessen eine weitere Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Damals hatte die christlich-fundamentalistische Stiftung Ordo Iuris ein Gesetz entworfen, das Abtreibung nur noch erlaubt, wenn das Leben der Schwangeren akut bedroht ist und zusätzlich Haftstrafen für die abtreibende Person vorsieht (bisher machen sich diejenigen strafbar, die bei der Abtreibung helfen). Der Gesetzesentwurf wurde von der Bürger_inneninitiative »Stop Abtreibung« als Petition ins Parlament gebracht und am 23. September 2016 in erster Lesung verabschiedet. Diese Entscheidung löste in Polen und über Polen hinaus massive Proteste unter den Schlagwörtern #czarnyprotest und #blackprotest aus. In vielen Städten inner- und außerhalb Polens gab es Demonstrationen, hunderttausende Menschen gingen für das Recht auf Abtreibung auf die Straße.

Angesichts dieser wohl unerwarteten Proteste lehnte das Parlament den Gesetzesentwurf in der zweiten Lesung ab und es blieb vorerst bei der alten (wohlgemerkt sowieso schon extrem restriktiven) Gesetzgebung. Im März 2018 gab es einen erneuten Vorstoß, die Gesetzgebung zu verschärfen, wieder gingen Zehntausende auf die Straße. Im Moment ist unklar, was passieren wird: Das Parlament hat die Entscheidung auf unbestimmte Zeit verschoben.

[…]

Ciocia Basia ist eine Gruppe von Aktivist*innen in Berlin, die Menschen aus Polen dabei unterstützt, in Berlin sicher und straffrei abzutreiben. Wer ungewollt schwanger ist, kann uns über Telefon, E-Mail oder Facebook erreichen. Wir klären dann über Möglichkeiten auf – bis zur 7. Schwangerschaftswoche ist in Deutschland ein medikamentöser Abbruch möglich, bis zur 12. ein operativer. Personen, die schon in einem fortgeschritteneren Schwangerschaftsstadium sind, vermitteln wir in die Niederlande oder nach Großbritannien, wo Schwangerschaftsabbrüche bis zur 22. bzw. bis zur 24. Woche legal sind.

Für diejenigen, die nach Deutschland kommen, organisieren wir Termine für die gesetzlich verpflichtende Schwangerschaftskonfliktberatung und für die Abtreibung in der Klinik. Wir begleiten, übersetzen und organisieren, wenn nötig, auch Unterkünfte.

Diejenigen, die sich den Abbruch nicht selbst leisten können, unterstützen wir auch finanziell. Bisher konnten wir uns mit Soliparties und Spenden gut über Wasser halten – doch wir werden in Polen immer bekannter und bekommen dementsprechend mehr Anfragen. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung darf aber nicht vom Einkommen einhängen! Wenn ihr sicherstellen wollt, dass wir auch weiterhin allen ungewollt Schwangeren helfen können, könnt ihr hier spenden: https://www.gofundme.com/tantebarbara

 

Telefon: 0152 10385680

E-Mail: ciocia.basia@riseup.net

Facebook: facebook.com/ciociabasiaberlin

Wie Fotos Schwangerschaftsabbrüche tabuisieren

Ein Kommentar von Anna Mattes vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung

Welche Bilder werden verwendet und warum sind sie problematisch?

In der Berichterstattung zu den Themen Schwangerschaftsabbruch fällt auf, dass häufig zwei Arten von Bildern verwendet werden: Abbildungen von Föten sowie Abbildungen von schwangeren Frauen in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. Beides ist problematisch, denn die Bilder von Föten geben ein verzerrtes Bild der Realität wieder. Häufig werden Bilder aus Archiven genommen, die Schwangerschaften in der 14., 16. oder 18. Woche zeigen. Schwangerschaftsabbrüche werden ambulant aber typischerweise in der 7. oder 8. Woche vorgenommen.

Oft nutzen Medien die Fotos von Abtreibungsgegner*innen

Wenn Redaktionen eine realistische Abbildung wählen wollen, sollten sie das Bild einer Fruchtblase wählen, empfahl auch Kristina Hänel bei einer Pressekonferenz Anfang Dezember 2017 in Berlin. Im schlimmsten Fall übernehmen Journalist*innen Bilder von “Lebensschützer*innen” als Bildmaterial, wie beispielsweise Bilder der Plastikembryonen, die über eine von “Lebensschützer*innen” betriebene Plattform verbreitet werden. Dort werden wissentlich Fehlinformationen verbreitet, unter anderem, dass ein Fötus in der 10. Schwangerschaftswoche (SSW) bereits 6 cm groß sei und die Plastiknachbildung somit der Realität entspreche. Wer selbst einen kleinen Einblick haben möchte, wie Abtreibungsgegner versuchen, über Bildsprache zu einer Tabuisierung und Skandalisierung beizutragen, kann gerne Bilder zum Suchbegriff “Abtreibung” googeln.

Auch Fotos schwangerer Frauen mit einem sichtbaren Babybauch in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft sind realitätsverzerrend. Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland bis zur 12. SSW zugänglich. Sogenannte Spätabbrüchen nach der 12. SSW sind verhältnismäßig selten und nur möglich, wenn die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist. Bis zur 12. SSW ist die Schwangerschaft für das Umfeld kaum sichtbar – häufig behalten Schwangere eine Schwangerschaft bis zu diesem Zeitpunkt noch für sich, da das Risiko einer Fehlgeburt groß ist.

Abortion in Germany – ‚where providing information is a crime‘

Auch international ist die Debatte um § 219a von Interesse: Ein Kommentar von Kate Cahoon vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung.

According to section 218 of Germany’s criminal code, abortion is a crime. It’s in the part pertaining to “offences against life”, alongside murder and negligent manslaughter, although a sub-section spells out that it is decriminalized in the first 12 weeks of pregnancy, that is, if the woman has a certificate from an authorized counselling service and waits three days before having the procedure carried out.

In case you were thinking that the counselling was intended to provide support to the pregnant woman, you were wrong. The law states that the “the counselling serves to protect unborn life. It should be guided by efforts to encourage the woman to continue the pregnancy and to open her to the prospects of a life with the child”. Well, that sounds unbiased, doesn’t it? Feminists and other people who believe that women are capable of deciding whether they are prepared to push something the size of small watermelon out of their vagina without the interference of the state have been arguing for this law to be abolished since the 1970s.

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In this particular case, Dr Kristina Hänel refused to take the information down from her website and settle before court, which would have seen her walk away with a modest fine and a slap on the wrist. Generally, when faced with these kinds of charges, doctors plead ignorance or say they won’t do it again, but this time around Hänel decided that her patients have a right to information. Information, for example, about what to expect when visiting the clinic to have a pregnancy terminated, from what the procedure involves to what they should bring with them (clean underwear, cosy slippers, etc). The judge, however, agreed with prosecutors who claimed the information constituted an advertisement. The judge explained that the law was there to ensure that abortion would not become “normalized”. Just as an aside – around 70,000 women die annually due to unsafe abortions in countries where access to abortion is restricted. Is that the kind of “normal” we are working towards?   

Now in case you’re wondering how the under-resourced German law enforcement authorities manage to find time to trawl the net looking for potential suspects, aka doctors, the short answer is – they don’t. The vast majority of cases result from charges being pressed by radical “pro-lifers”, Christian fundamentalists with too much time (and money) on their hands. Their most assiduous supporter is Klaus Günter Annen, who runs a website with the charming title “Babycaust.de” featuring the names of most abortion service providers in Germany. Funnily enough, it’s not a bad place to get information if you are looking for a comprehensive record of other pro-choice allies.

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Anyway, the timing of this sudden burst of opposition to section 219a seems surprising, particularly given that politicians have had a while to do something about the regulation of abortion. Section 219a was introduced in 1933 by – you might have guessed already – the Nazi party, as part of sweeping reforms to criminalize Jewish doctors, communists and homosexuals. Until last year, when the media started reporting on the Hänel case and a lot of people came to realize how restrictive Germany’s abortion laws actually are, a liberalization seemed unlikely. If the vote goes ahead later this month and a small miracle sees a majority in favour of abolishing section 219a, I would pay good money to have a live camera on the floor of parliament filming Beatrix von Storch’s face.

However, if the law doesn’t get overturned this time around, it’s safe to assume that it won’t be easy to put a lid back on the debate around reproductive rights in Germany and in other European countries. With the upcoming referendum on repealing the 8th amendment in Ireland, and the worsening situation for women in neighbouring country Poland, there are plenty of reasons to join the pro-choice bloc at the Frauen*kampftagdemonstration on International Women’s Day (March 8, 2018) and the day of action organized by the Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung in September in protest against the annual “March for Life” in Berlin.

Mindestens erschwert wird dadurch die ärztliche Aufklärung im Vorfeld, zu der jeder Mediziner verpflichtet ist – zum Schaden der Frau.

Paragraf 219a in seiner jetzigen Form nicht haltbar

– ein Kommentar von Gudula Reuther

Der umstrittene Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet nicht nur das Anpreisen oder die marktschreierische Werbung. Unter Strafe verboten ist es auch, öffentlich seines Vermögensvorteils wegen Abtreibungen anzubieten. Die Gießener Verurteilung hat dabei nur deutlich gemacht, was seit Jahrzehnten der Fall ist: Staatsanwaltschaften gehen völlig unterschiedlich damit um, jegliche Information im Internet über vom Arzt angewendete Methoden, über Voraussetzungen, zu Bedenkendes fällt darunter. Mindestens erschwert wird dadurch die ärztliche Aufklärung im Vorfeld, zu der jeder Mediziner verpflichtet ist – zum Schaden der Frau. Es geht darum, Entscheidung zu ermöglichen. Sei es darüber, wo die Frau hingehen will, sei es darüber, was sie erwartet – oder sei es auch die Entscheidung, ob sie das wirklich will, denn auch für diese Wahl braucht sie Informationen.

Natürlich gibt es Aufklärung in der Beratung im Rahmen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Aber dort muss es mindestens teilweise um anderes gehen. Informieren über die eigene Arbeit kann nur der Arzt. Die Sorge, der Schwangerschaftsabbruch könnte ohne striktes Werbeverbot als normale ärztliche Leistung angesehen werden, dürfte kaum gerechtfertigt sein. Kaum eine Frau wird sich bei einer solchen Entscheidung durch die Darstellung im Internet beeinflussen lassen.