Erklärungen/ Stellungnahmen

Die Bezeichnung „Schwester“:

Warum listen wir Kommentare von Situationen, in denen Medizinstudentinnen* Sexismus empfunden haben, weil sie als „Schwester“ bezeichnet wurden?

Wir sehen die Bezeichnung „Schwester“ generell als strukturelle Diskriminierung von speziell weiblichem Pflegepersonal. Zudem ist dieser Begriff auch seit 2004 falsch, die korrekte Berufsbezeichnung lautet „Gesunheits-und Krankenpfleger*in“.
Die Bezeichnung „Schwester“ sorgt für eine Deprofessionalisierung von weiblichen Pflegerinnen, besonders deutlich wird dies am männlichen Parallelbegriff des (Kranken)pflegers – niemand käme auf die Idee, eine männliche Pflegekraft als „Bruder“ zu bezeichnen, die Bezeichnung „Schwester“ für weibliche Pflegekräfte hingegen ist üblich.

Die Assoziation von weiblichen Personen mit Pflege(berufen)ist sexistisch.

Neben dem diskriminierenden Begriff der „Schwester“ ist auffällig, dass besonders oft weibliche Studierende im Krankenhaus als Pflegekraft angesprochen werden, männlichen Studierende berichten dies seltener. Gesellschaftlich werden Frauen nicht nur mit Pflegeberufen verbunden, auch Pflege im Privaten gilt immer noch als klassisch weibliche Aufgabe. Die Bezeichnung von weiblichen Medizinstudierenden als „Schwester“ reproduziertdiese Geschlechterrollen (Frauen = Affiliation/Männer = Assertivität). Es geht uns nicht darum, dass der Pflegeberuf nicht wünschenswert wäre, sondern darum, dass Pflege gesellschaftlich mit Weiblichkeit assoziiert wird.




Warum beschäftigen wir uns in unserer „Aktionswoche gegen Sexismus“ nicht explizit auch mit Sexismus gegen Männer?

Uns ist wichtig den strukturellen Aspekt des Sexismus zubetonen. Es ist ein weitergetragenes Denken, Glauben, Meinen und Handeln als gesellschaftliche Praxis, welches Männer privilegiert und Frauen unterwirft.

Sexismus ist institutionell verankert und individuell verinnerlicht.

Dass Ungleichheit weiter existiert belegen objektive Indikatoren für Geschlechterungleichheit wie das „Gender Empowerment Measure“ (GEM, ein Indikator für dasGeschlechterverhältnis in Politik und Wirtschaft eines Landes) und der „Gender Inequality Index“ (GII, ein Indikator für Geschlechtsunterschiede in Gesundheit, Wohlstand, Bildung, etc.), die jährlich in über 150 Ländern der Welt gemessen werden. In keinem der untersuchten Länder ist die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern verwirklicht:  Obwohl es große Differenzen gibt, sind Frauenin allen Ländern in Positionen unterrepräsentiert, die mit Macht und Status zusammenhängen (beispielsweise Parlamente, Führungspositionen), übernehmen dafür aber überproportional mehr Care-Arbeit(Sorge- und Pflegetätigkeiten) und haben in allen untersuchten Ländern eine geringere Lebensqualität im Vergleich zu Männern. (Dt… Platz 14)

Unsere Gesellschaft ist weiterhin eine patriarchale Gesellschaft! Die meisten gesellschaftlichen Institutionen in Politik und Wirtschaft werden von (Cis)Männern dominiert und gelenkt.
Die Diskriminierung kommt durch Machtstrukturen. (Cis)Männer sind hier Teil der Herrschenden innerhalb dieser Machtstrukturen.
Dadurch erfahren Cis-Männern Sexismus nicht oder grundlegend anders.

Jedoch ist es uns wichtig zu betonen, dass (Cis)Männer ebenso unter dem Patriarchat leiden (können) -> zB. weil sie Rollenbildern durch gesellschaftlichen Druck entsprechen müssen, auch wenn sie es nicht wollen. Oder aber wenn sie eben nicht gesellschaftlichen Rollenbildern von Männlichkeitentsprechen und deswegen Diskriminierung erfahren können (inklusiveHomosexualität).

Ebenso können Cis-Männer auch anderen Mechanismen von Diskriminierung betroffen sein (z.B. racism, ageism, ableism, classism).

Hinzu kommt, dass unsere eigenen Kapazitäten sehr beschränkt sind und wir uns in dieser Woche nur einem kleinen Teil des Themenkomplexes widmen können. Wer andere Veranstaltungen wünscht, ist eingeladen bei uns mitzumachen oder eigene Veranstaltungen anzubieten. Zudem besteht unsere sehr kleine Gruppe nur aus Frauen*, so dass wir uns entsprechend auch besser zu Dingen aus unserer Perspektive äußern können.

Zu guter Letzt wollen wir anmerken, dass auch Cis-Männer zu allen Veranstaltungen eingeladen sind, außer Samstag, weil dort ein möglichst umfassender Schutzraum für Menschen geboten werden soll, um sexistische Erfahrungen zu berichten und Gegenstrategien einzuüben. Daher FLINTA* only.




Wieso nehmen wir auf dieser Seite nicht auch weitere Situationen von Diskriminierung, jedoch ohne gleichzeitigen Sexismus, wie z.B. Rassismus auf?

Hier müssen wir sagen, dass wir leider nicht die personelle Kapazität haben, ein oder mehrere weitere so große Themenfelder zu diesem Zeitpunkt zu bearbeiten und in angemessener und übersichtlicher Art und Weise zu veröffentlichen.
Zudem besteht die Orga-Gruppe dieser Sache nur aus sehr wenigen Menschen, die alle weiß sind und somit keinerlei Erfahrung mit Rassismus haben und das Thema nicht angemessen behandeln können.

Wir möchten aber die Möglichkeit von Intersektionalität bei Diskriminierung betonen!

Dies bedeutet, dass eine Person nicht nur einer Form von Diskriminierung unterworfen, sondern Betroffene*r verschiedener Diskriminierungen werden kann (z.B. Rassismus, Klassismus, Sexismus, Ableismus/ Behindertenfeindlichkeit). Diese Diskriminierungen müssen hierbei nicht für sich alleinstehen und sich addieren, sondern können zu einer eigenständigen Diskriminierungserfahrung führen.

Situationen von intersektionaler Diskriminierung, in denen Sexismus teil dieser zusammenwirkenden Diskriminierung war, veröffentlichen wir auch. Dies ist uns sehr wichtig.
(Hier ist es entscheidend, dass die betroffene Person es so wahrnimmt und nicht wir. Wenn sie uns eine solche Situation sendet, wird sie vermutlich ohnehin Sexismus als Teil der Diskriminierung wahrgenommen haben. Im Zweifelsfall veröffentlichen wir diese Sendungen auch mit nicht direkt ersichtlichem sexistischen Anteil, denn wir waren nicht die*derBetroffene*r und können und dürfen nicht darüber urteilen)