Rechtliche Situation

Der Schwangerschaftsabbruch ist grundsätzlich ein Straftatbestand laut dem Strafgesetzbuch. Er fällt in den 16. Abschnitt unter Straftaten gegen das Leben.

 

Paragraph 218 behandelt die allgemeine Illegalität des Schwangerschaftsabbruchs:

Ҥ 218 Schwangerschaftsabbruch

(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

  1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder
  2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht.

(3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.”

Quelle: dejure.org/218

 

Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur unter bestimmten Umständen straffrei:

§ 218a Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs

(1) Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn

  1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen,
  2. der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
  3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.

(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuches [sexueller Übergriff, Nötigung, Vergewaltigung] begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.

(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.”

Quelle: dejure.org/218a

 

Es besteht in Deutschland eine Beratungspflicht und dreitägige Wartezeit.

Ҥ 219 Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage

(1) Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Das Nähere regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz. […]”

Quelle: dejure.org/219

 

Auch Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist verboten.

Das dies auch eine Benennung des Eingriffs auf der Webseite des/der durchführenden Arztes/Ärztin einschließt, wurde im Fall Kristina Hänel medienwirksam dargestellt.

“§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

  1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
  2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung

anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”

Quelle: dejure.org/219a

 

Auch das Inverkehrbringen von Mitteln zum Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland rechtswidrig.

Ҥ 219b Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer in der Absicht, rechtswidrige Taten nach § 218 zu fördern, Mittel oder Gegenstände, die zum Schwangerschaftsabbruch geeignet sind, in den Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Teilnahme der Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft vorbereitet, ist nicht nach Absatz 1 strafbar.”

Quelle: dejure.org/219b

 


Zur Umsetzung: Auszug aus einem Podcast von Deutschlandfunk Nova

Bleibt die Frage, warum die Wuppertaler Staatsanwaltschaft überhaupt angeklagt und warum das Amtsgericht einen Strafbefehl ausgestellt hat. Denn viele Ermittlungsverfahren nach Paragraph 219a werden eingestellt. Das Amtsgericht Wuppertal begründete 2008, der Strafbefehl sei ergangen …

„… um zu verhindern, dass die Abtreibung in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird.“

Genau so steht es bereits in einem Urteil des Landgerichts Bayreuth von 2006, das als wegweisend gilt. Beide Urteile stützen sich auf den Strafrechtskommentar von „Tröndle/Fischer“.

„Das ist ein sehr bekannter Standardkommentar, der in der Praxis hier oft verwendet wird, und das wundert mich jetzt gar nicht, dass der zu Rate gezogen wurde.“

Ob der Einsatz von „Tröndle/Fischer“ auch in Strafverfahren zum Schwangerschaftsabbruch angemessen ist, erscheint zweifelhaft – wenn man die beiden Autoren ein wenig näher betrachtet.

Herbert Tröndle, Jahrgang 1919, Träger des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse sowie des Infanterie-Sturmabzeichens und des Deutschen Kreuzes in Gold aus dem Zweiten Weltkrieg. Der hoch dekorierte Soldat avancierte in Westdeutschland zu einem führenden Strafrechtler. Er trat massiv gegen die Entkriminalisierung männlicher Homosexualität auf: Der „etablierten Schwulenszene“ werde dadurch erlaubt …

„… die in der Pubertät und Adoleszenz befindlichen Jugendlichen für ihre Zwecke zu rekrutieren.“

Tröndle zog außerdem gegen die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zu Felde: Er war Autor beim sogenannten „Lebensschutzhandbuch“ aus dem katholischen Bonifatius Verlag und engagierte sich an führender Stelle in der „Juristen-Vereinigung Lebensrecht“, einer Lobbyorganisation selbsternannter Lebensschützer:

„Die Juristen-Vereinigung Lebensrecht … sorgt sich um Menschenwürde und Menschenrechte Ungeborener wie Schwangerer.“

Herbert Tröndle starb 2017 im Alter von 98 Jahren – seine Kommentierung zum Schwangerschaftsabbruch lebt weiter!

Koautor Thomas Fischer, Jahrgang 1953, war bis vor kurzem Richter am Bundesgerichtshof. Bekannt wurde Fischer durch Auftritte außerhalb des Gerichtssaales, als Zeitungskolumnist und in Fernseh-Talkshows. Fischer formuliert gerne zugespitzt. Es fällt allerdings auf, dass er nur Frauen, anders als Männer, sexistisch angeht – jüngst etwa im Zusammenhang mit der MeToo-Debatte zu sexuellen Übergriffen:

„Die ersten Berichte zur Sache, die ich in den TV-Kanälen sah, wurden allesamt von sehr betroffen blickenden Moderatorinnen mit Push-up-Brüsten und auf mindestens 80-mm-Heels ‚anmoderiert‘.“

Dass der Strafrechtskommentar dieser beiden Juristen auch im Zusammenhang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch von Staatsanwaltschaften und Gerichten besonders gerne benutzt wird, ist schlecht für die Rechtsprechung.