Diagnose Sexismus

Zielsetzung des Projektes „Diagnose Sexismus“

Überspringen und direkt zu den Zusendungen zu erlebtem Sexismus in Klinik und medizinischer Fakultät gehen.

Seit 1997 liegt der Frauenanteil im Medizinstudium bei über 50%, seit vielen Jahren sogar über 60%. Dennoch sind nur 31% der Oberärzt*innen-Posten durch Frauen besetzt und sogar nur 10% der Chefärzt*innen-Posten!

Dies wird häufig als „Gläserne Decke“ bezeichnet (erstmalsverwendet durch Morrison et al. 1987). Es beschreibt alle unsichtbaren Prozesse und Faktoren, die Frauen effektiv vom Zugang zu Führungspositionen abhalten.
Diese Faktoren sind vielfältig und umfassen unter anderem:

  1. Eine Männerkultur in Unternehmen, also auch Krankenhäusern. So kommt es häufig dazu, dass Männer durch ihre männlichen Vorgesetzten gefördert werden, während Frauen Karrierechancen verweigert werden. Damit führt die Bevorzugung männlicher Arbeitnehmer auch zur männlichen Statussicherung, Sicherung der männlichen Kernbelegschaft und zu einer Manifestierung der derzeitigen Situation in Führungsebenen. Darüber hinaus sind Frauen eine Minderheit in Führungspositionen und werden auch als diese wahrgenommen. Dadurch werden sie häufigerals Mitglied einer geschlechtsstereotypen Gruppe wahrgenommen als ein Individuum mit adäquaten Qualifikationen. Gleichermaßen werden Frauen aus wichtigen beruflichen Netzwerken weitestgehend ausgeschlossen, während Männer diese für ihren Aufstieg nutzen (Gemeinsame Freizeitgestaltung, Kneipenbesuche nach der Arbeit oder Wochenendeinladungen).
  2. Lange Zeit waren der Arbeitsmarkt sowie die Führungsebenen nur durch Männer geprägt. Dies hat dazu geführt, dass sich eine Vorstellung einer erfolgreichen Karriere herausgebildet hat, die auf der Erfahrung eines Mannes mit einer ununterbrochenen Erwerbstätigkeit basiert.Weiterhin werden Führungskräfte mit typischen “männlichen“ Eigenschaften wie Dominanz, Selbstsicherheit, Autonomie etc. assoziiert. Dies hat zur Folge, dass Führungspositionen und Führungsverhalten als erstes eher mit Männern in Verbindung gebracht werden als mit Frauen.
  3. Eine weitere Erklärung für den Mangel an Frauen in den Führungsetagen besteht in der Arbeitsteilung in Haushalt und Familie, besonders die zeitaufwändige zugeschriebene Mutterrolle. Nach den traditionellen Rollenerwartungen und -zuweisungen sind die Frauen in unserer Gesellschaft immer noch hauptverantwortlich für die Fürsorge der Kinder, die etwa durch mangelnde Kleinstkinderbetreuung andere Aufgaben außerhalb des Haushaltes fast ausschließt. Ebenso ist in der deutschen Kultur das Bild vorhanden, dass Männer, die neben ihrem Beruf keine Zeit für ihre Kinder haben, durch die Erwirtschaftung eines guten Gehaltes ihre Vaterrolle erfüllen. Berufstätige Frauen hingegen gelten als“Rabenmütter“, wenn sie sich nicht Vollzeit mit ihren Kindern beschäftigen. Somit führt die traditionelle Rollenaufteilung dazu, dass erwerbstätige Männer trotz oder auch gerade wegen der Familie Karriere machen können, weil sie durch ihre Ehefrauen familiär entlastet werden. Im Gegensatzdazu müssen die erwerbstätigen Frauen oft die Doppelbelastung von Familie und Beruf tragen, da sie selten die gleiche Unterstützung von ihren Männern bekommen. Zusätzlich wird die Vereinbarkeit von Kindern besonders für Frauen in Führungspositionen verstärkt durch den Mangel an Teilzeitmodellen für Führungskräfte und/oder wenig flexible und längere Öffnungszeiten von Kindertagesstätten.
  4. Erschwerend kommt hinzu, dass der Aufstieg in die Führungsetagen von Unternehmen zumeist zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr stattfindet. Dies ist jedoch genau der Zeitraum, indem Frauen aufgrund von Geburten nur bedingt am Arbeitsleben teilhaben können und so häufig bei der Besetzung guter Positionen übergangen werden.
  5. Dass die Betriebsgröße einen Einfluss auf die Aufstiegschancen von Frauen hat, liegt an der starken hierarchischen und besonders männerdominierten Struktur großer Unternehmen und damit auch der meisten Krankenhäuser. In diesem Sinne wirken die bisher genannten Faktoren besonders in Großunternehmen. Darüber hinaus gelangen Frauen häufiger in Klein- und Mittelbetrieben in Führungspositionen, weil Wiedereinsteigerinnen nach der Familienphase dort nicht automatisch wegen ihrer Erwerbsunterbrechungen und ihres höheren Alters diskriminiertwerden. So lässt die systematische Karriereplanung in großen Unternehmen seltengenügend Raum für Erwerbsunterbrechungen. Weiterhin führen stark formalisierte Einstellungsverfahren, wie sie in großen Unternehmen oft verwendet werden, häufig zu einem Nachteil der Frauen. Sie orientieren sich häufig an einemmännlichen Vollzeit-Erwerbsmodell und bewerten Erwerbsunterbrechungen z.B. als Qualifikationsverlust.

So gibt es aber auch die alltäglichen Situationen, in denen viele, insbesondere nicht cis-männliche Personen, Sexismus erleiden. Diese prägen stark das gesamte Klima innerhalb eines Betriebes. Sie führen dazu, dass sich betroffene Personen in diesem Umfeld unsicher fühlen und entmutigt werden. Es trägt zu allen oben genannten Punktenbei und hält Frauen von einer entsprechenden Karriere ab.

Diesen „Alltagssexismus“ möchten wir mit unserer Seite aufzeigen und sichtbarer machen, um einen Grundstein für Diskussionen und Gegenstrategien zu legen. Wir möchten unseren Fokus hier auf Einzelsituationen richten, da diese in kurzer Textform einfacher und ausreichend darstellbar sind. Die Zusendungen wurden anonymisiert, gegendert und bei Tippfehlern teilweise verbessert.

Wir thematisierten den dokumentierten und sichtbar gemachten „Alltagssexismus“ zudem in einer „Antisexistischen Aktionswoche“ im Dezember 2018. In dieser Woche beleuchteten wir das Thema Sexismus in Klinik und medizinscher Fakultät von verschiedenen Blickwinkeln.

Zu den uns erreichten Zusendungen geht es hier.