Am 14.06.2019 wurden die beiden Gynäkologinnen Verena Weyer und Bettina Gaber zu 4000€ Geldstrafe verurteilt. Dafür, dass sie auf ihrer Website darüber informieren, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Das sind die Konsequenzen und die große ‚Rechtssicherheit‘, die der von der GroKo beschlossene ‚Kompromiss‘ mit sich führt: Ärzt*innen dürfen weiterhin nicht ihre Arbeit vollziehen und aufklären.
Folgend kann unser Redebeitrag bei der Kundgebung am Freitag zum Prozess nachgelesen werden:
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Liebe Anwesenden,
Im Studium der Humanmedizin sollen Studierende dazu ausgebildet werden, welche rechtlichen, ethischen
und medizinischen Aspekte in Bezug auf das Thema Schwangerschaftsabbruch wichtig sind. Das wird so in
den Gegenstandskatalogen unserer Abschlussprüfungen gefordert.
Wir als AG haben es uns zum Ziel gemacht, dafür zur sorgen, dass diese Inhalte nicht nur auf dem Papier
stehen, sondern an unserer Uni auch gelehrt werden.
Einen ersten Teilerfolg konnten wir bereits erzielen: Seit diesem Semester gibt es an der Charité zwei Veranstaltungen, die sich ausschließlich dem Thema Schwangerschaftsabbruch widmen. Zu unserer großen Enttäuschung werden hier jedoch ausschließlich gesellschaftspolitische, ethische und psychologische Implikationen diskutiert.
Die ebenso wichtigen medizinischen Aspekte zu Methoden des Abbruchs und was es zu beachten gilt, werden weiterhin nicht behandelt.
Nun kann man sich natürlich – unabhängig von Prüfungsinhalten – fragen, warum man dieses Thema im Medizinstudium behandeln muss. Darauf haben wir folgende Antwort.
Sex gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen und hat wesentlichen Einfluss auf das menschliche Wohlbefinden und damit seine Gesundheit. Das Thema gehört damit dringend in das humanmedizinische Curriculum. Und hiermit meine ich nicht, sich thematisch auf die Anatomie von Reproduktionsorganen und sexuell übertragbare Krankheiten zu beschränken und in der Folge nur noch Schwangerschaft und Geburt zu behandeln. Hierzu gehören unter anderen auch die Themen Lust und ihre Anatomie, Verhütung über die Pille hinaus und leider auch das Thema ungeplante bzw. ungewollte Schwangerschaften. All das sind Aspekte, die zum Alltag von Menschen und damit zu ihrer Lebensrealität dazu gehören. Sie sind zu wichtig und zu eng verwoben mit menschlicher Gesundheit, als dass sie von Politik und Medizin weiter ignoriert werden dürfen.
Berlin hatte in dieser Beziehung schon einmal Vorbildfunktion – nicht ohne Grund wurde Magnus Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft ausgerechnet hier gegründet. Auf diese Tradition beruft sich auch des sexualmedizinische Institut der Charité. Warum also besinnt sich Europas größtes Uniklinikum dann nicht auch auf seine Vorbildfunktion in dieser Beziehung?
Es ist höchste Zeit die medizinische und politische Ignoranz beim Thema Sex zu überkommen und das deutsche Rechts- und damit auch das deutsche Gesundheitssystem in Bezug auf Frauengesundheit und Sexualmedizin endlich ins 21. Jahrhundert zu befördern.
Es ist Zeit mit veralteten Tabus zu brechen und sich gegen rückwärtsgewandte Rechtsprechung zur wehr zu setzen. Deswegen solidarisieren wir uns mit allen nach § 219a angezeigten Ärzt*innen, die genau das tun.
Wir fordern, dass sie nicht nur öffentlich darüber informieren dürfen, dass sie Abbrüche durchführen, sondern auch darüber welche Methoden sie anbieten! Wir fordern, dass Betroffene, Berater*innen und Ärzt*innen vor radikalen Abtreibungsgegner*innen geschützt werden!
Wir fordern ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch und eine gesetzlich garantierte, flächendeckende Versorgung ungewollt Schwangerer! Damit einhergehend fordern wir bessere Lehre und mehr Forschung an den Universitäten nicht nur zum Thema Schwangerschaftsabbruch, sondern auch zum Thema Sex und allen anderen damit verbundenen Facetten.
Deshalb fordern wir die Streichung der Paragraphen, die dem im Weg stehen: Weg mit 219a! Weg mit 218!