Positionierung zum Kompromissvorschlag bzgl. §219a

Am 28.01.2019 kam die Große Koalition nach monatelangen Gesprächen zu einem gemeinsamen Beschluss bzgl. des §219a. Der Paragraph – und damit das Werbeverbot – bleibt bestehen, und wird lediglich um einen Abschnitt ergänzt. In diesem heißt es, dass Ärzt*innen und Kliniken nun darauf hinweisen dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nicht jedoch weitere Informationen zu den Methoden o.Ä. geben. Zudem soll die Pille bis zum 22. Lebensjahr von den Krankenkassen übernommen werden. Justizministerin Katharina Barley kommentiert dazu: „Wir stellen sicher, dass betroffene Frauen in einer persönlichen Notsituation an die Informationen gelangen, die sie benötigen“ [1]

Viele Fragen bleiben offen. Klar ist, der stigmatisierende und kriminalisierende Naziparagraph (verabschiedet 1933) bleibt bestehen. Warum wir nicht zufrieden damit sind:

  1. Unsere Regierung scheint davon auszugehen, dass allein Frauen für das Thema ‚Verhütung‘ zuständig sind und v.a. junge, „arglose“ Frauen* ungewollt schwanger werden. Das stimmt nicht! Trotz perfekter Anwendung ist kein Verhütungsmittel 100% sicher. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden von Frauen über 25 Jahren vorgenommen. Woher also diese scheinbar willkürlich gewählte Altersgrenze von 22 Jahren? Verhütung (für alle Geschlechter!) sollte grundsätzlich kostenlos sein!
  2. Schwangerschaftsabbrüche bleiben weiter Straftatbestand und werden somit nicht wie jeder andere medizinische Eingriff behandelt. Damit soll es betroffenen Frauen also weiterhin erschwert bleiben, objektive und kompetente Informationen zum Schwangerschaftsabbruch zu erhalten. Warum darf im 21. Jahrhundert eine (ungewollt) schwanger Person immer noch nicht selbst entscheiden, welche Informationen ihr zustehen?
  3. Die Regierung scheint ein großes Misstrauen gegenüber Ärzt*innen zu haben. Sie glauben wohl, dass sie Schwangere vor (werbenden, Profit-gierigen) Ärzt*innen schützen müssen und vertrauen nicht darauf, dass diese stattdessen einfach ihren Beruf ausüben und Frauen in Notsituationen unterstützend und beratend zur Seite stehen möchten. Deswegen gestehen sie Ärzt*innen nur zu, öffentlich zu erwähnen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, jedoch keine weiteren Informationen zum Eingriff (z.B. Methoden, Ablauf, Kontraindikationen, Risiken) hinzuzufügen. Es ist interessant, dass dieses Misstrauen nur beim Schwangerschaftsabbruch und nicht bei anderen medizinischen Eingriffen besteht.

Auf einen solchen faulen Kompromiss wollen wir uns nicht einlassen. In der „Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women“ der United Nations steht hingegen schon seit langem: Die Kriminalisierung von Behandlungen, die nur Frauen benötigen, einschließlich Schwangerschaftsabbrüchen, ist eine Form der Diskriminierung gegen Frauen. Die Kriminalisierung der Ärzt*innen, die diese Behandlungen anbieten, verletzt Frauenrechte. Die Staaten haben die Verpflichtung die Rechte der Frauen bzgl. des Schwangerschaftsabbruches zu respektieren, zu schützen, und zu erfüllen! [2] Der §219a verstößt gegen all diese Punkte!

Wir fordern ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Schwangerschaftsabbrüche dürfen kein Straftatbestand mehr sein. §219a muss immer noch weg.

[1] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/koalitionsbeschluss-aenderungen-paragraf219a-102.html#xtor=CS5-48

[2] übersetzt nach https://www.ohchr.org/en/issues/women/wrgs/pages/healthrights.aspx und https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CEDAW/C/GC/35&Lang=en

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